Dragon Age 2

Ein kontroverser Klassiker im Rückblick.

Genre: Action-Rollenspiel
Plattformen: PC, PlayStation 3, Xbox 360
Entwickler: BioWare
Release: 8. März 2011
Artikel veröffentlicht: 03.12.2024

Ich erinnere mich noch genau daran, wie Dragon Age: Origins vor über einem Jahrzehnt die Rollenspielszene aufmischte: Taktik, Tiefgang und ein episches Abenteuer. Als dann Dragon Age 2 erschien, war ich gespannt – und wurde überrascht. Statt erneut durch ein großes Königreich zu streifen, konzentrierte sich BioWare auf eine einzige Stadt, auf die persönliche Geschichte des Helden (oder der Heldin) Hawke und auf deutlich actionlastigere Gefechte. Heute, viele Jahre später, schaue ich noch einmal zurück: Hat Dragon Age 2 diesen mutigen Schritt in eine neue Richtung gut gemeistert oder wirkt es eher wie eine unglückliche Kurskorrektur?

Cover

Gameplay

Mechaniken und Steuerung

Dragon Age 2 fühlt sich direkter und agiler an als sein Vorgänger. Die Kämpfe laufen spürbar schneller ab, Gegner tauchen oft in Wellen auf und ich muss meine Gruppe flexibel koordinieren. Auf dem PC habe ich zwar weiterhin die Möglichkeit, das Geschehen zu pausieren, um taktische Befehle zu erteilen, doch die große Liebe zur Komplexität aus Origins ist spürbar zurückgefahren. Dafür ist die Steuerung insgesamt zugänglicher: Befehle gehen leicht von der Hand, Fähigkeiten laufen über Abklingzeiten, und ich finde mich auch als weniger taktisch versierter Spieler schnell zurecht.

Spielablauf

Statt mich erneut durch ein ganzes Reich zu bewegen, dreht sich hier alles um die Stadt Kirkwall und ihr Umland. Ich nehme Quests an, vertiefe Beziehungen zu meinen Begleitern und stelle mich Feinden, die weit weniger anonym wirken als in manch anderem Fantasy-Epos. Der Ablauf gliedert sich in drei Akte, die mehrere Jahre umspannen, sodass ich die Entwicklungen in Kirkwall und das Wachsen von Hawkes Einfluss hautnah miterlebe. Dieses Vorgehen ist ungewöhnlich: Es gibt keine Weltreise, sondern ein Kammerspiel, das sich voll auf die politischen, sozialen und moralischen Spannungen in einer einzigen Stadt konzentriert.

Fortschritt und Belohnung

Mit jedem Kampf, jeder erfüllten Quest und jeder getroffenen Entscheidung entwickle ich Hawkes Fähigkeiten weiter. Erfahrungspunkte fließen in Talentbäume, die zwar nicht so umfangreich sind wie in Origins, aber doch genug Spielraum für unterschiedliche Spielstile lassen. Loot gibt es regelmäßig, und auch wenn es nicht immer spektakulär ausfällt, belohnt es mich genug, um bei der Stange zu bleiben. Neben der Charakterentwicklung ist es vor allem der narrative Fortschritt, der mich motiviert: Jede Entscheidung kann langfristige Konsequenzen haben.

Schwierigkeit und Balance

Der Schwierigkeitsgrad ist moderat und lässt sich anpassen. Wer mehr taktische Tiefe will, erhöht die Schwierigkeit und muss dann tatsächlich mehr pausieren und planen. Auf normalen Einstellungen bleiben die Gefechte meist fair, wenn auch gelegentlich etwas eintönig. Manche Wellenangriffe wiederholen sich in ähnlichem Muster, was die Balance nicht stört, aber die Abwechslung mindert.

Wiederspielwert und Abwechslung

Der Wiederspielwert entsteht vor allem durch die Entscheidungen: Andere Dialogoptionen führen zu veränderten Beziehungen mit den Begleitern, bestimmte Story-Verläufe offenbaren sich nur, wenn ich anders vorgehe. Das lädt dazu ein, zumindest ein zweites Mal das Abenteuer anzugehen, auch wenn die immer gleichen Umgebungen und wiederkehrenden Muster in den Dungeons den Entdeckerdrang etwas bremsen.

Gameplay Screenshot

Grafik und Design

Technische Umsetzung

Schon zum Release hatte Dragon Age 2 mit Kritik an der technischen Seite zu kämpfen. Heute fallen die Schwächen noch deutlicher auf: Viele Dungeons und Räume sehen einander zum Verwechseln ähnlich, Texturen wirken häufig grob und die Level-Bausteine wiederholen sich zu oft. Das ist schade, denn die Charaktermodelle und Animationen sind ordentlich, aber die mangelnde Umgebungsvielzahl trübt das Gesamtbild.

Künstlerischer Stil

Kirkwall hat trotz der technischen Schwächen Charakter. Die Stadt wirkt bedrückend, zerrissen und glaubwürdig als Ort permanenter Spannungen. Der Look ist düsterer und härter, als man es von klassischen Fantasy-Welten kennt. Dieser Stil unterscheidet Dragon Age 2 von vielen anderen Genrekollegen, ohne jedoch die technischen Limitierungen kaschieren zu können.

Gameplay Screenshot

Sound und Musik

In Sachen Vertonung zeigt BioWare, was sie können. Die deutschen Sprecher machen einen sehr soliden Job, doch vor allem in der englischen Fassung glänzen Charaktere mit starken Stimmen und viel Persönlichkeit. Hawke ist voll vertont, und diese Entscheidung bereichert die Dialoge spürbar. Die Musik von Inon Zur unterstreicht das emotionale Drama in Kirkwall mit melancholischen Klängen, die zwar nicht so markant sind wie in Origins, aber dennoch für eine stimmige Atmosphäre sorgen. Geräuschkulissen sind stimmig, Effekte in den Kämpfen wuchtig genug, um mich mittendrin statt nur dabei fühlen zu lassen.

Gameplay Screenshot

Story und Charaktere

Story

Dragon Age 2 erzählt keine Geschichte über den Erhalt eines ganzen Königreichs oder die Rettung der Welt vor einer übernatürlichen Bedrohung. Stattdessen stehe ich als Hawke im Mittelpunkt lokaler Krisen, politischer Intrigen und sozialer Spannungen in Kirkwall. Die Story ist persönlicher, sie konzentriert sich auf das Schicksal weniger Figuren, auf Machtgefüge zwischen Templern und Magiern, sowie auf die Frage, wie man als Einzelner in einer feindseligen Umgebung überlebt. Spoiler vermeide ich natürlich, aber so viel sei gesagt: Die Handlung ist weniger episch, dafür moralisch fordernder und näher an den Figuren.

Charaktere

Die Begleiter von Hawke gehören zu den besten der Serie. Varric, der charmante Zwerg, oder Fenris, der zerrissene Krieger, bleiben lange im Gedächtnis. Die Interaktionen zwischen Hawke und den Begleitern sind hervorragend geschrieben und gehören zu den Höhepunkten des Spiels.

Gameplay Screenshot

Fazit

Stärken

Schwächen

Wertung

Es ist kein Meilenstein wie sein Vorgänger, aber auch kein schlechtes Spiel. Vielmehr ist es ein mutiges Experiment, das an einigen Stellen ins Schwarze trifft, an anderen aber klar daneben.

Empfehlung

Ich empfehle Dragon Age 2 vor allem Spielern, die sich auf eine persönlichere, moralisch anspruchsvollere Geschichte einlassen wollen. Wer die epische Weite von Origins und den hohen taktischen Anspruch vermisst, sollte mit vorsichtiger Erwartungshaltung herangehen. Für mich bleibt es ein interessantes, wenn auch unebenes Kapitel in der Geschichte dieser Rollenspielreihe.

★★★☆☆